Kn 37 in der 816. Sippung 20.12.153 :
Nur für einen Augenblick!
Aber was ist das eigentlich? Ein Augenblick?
Ich konnte mir keinen Reim darauf machen und fragte meine Burgfrau, die seinerzeit am Max Planck Institut in München, am Geschehen in unser aller zentralen Nervensystem forschte. Schlaraffen hört, der Augenblick ist wissenschaftlich gesehen das, was wir so an einem Stück wahrnehmen können. Und das ist ein Abschnitt von etwa drei Sekunden. Wie an einer Perlenschnur, reihen sich dann die Zeitfenster unserer bewussten Wahrnehmung aneinander. Und uns entsteht der Eindruck von „vorher“, „jetzt“ und „nachher“. Der Eindruck von Zeit.
Nicht überall auf der Welt hat Zeit die Bedeutung, die wir Ihr hierzulande beimessen. Wir Europäer haben ja bekanntlich die besten Uhren. In Afrika hingegen - und das habe ich viele Jahre in Ägypten und im südlichen Afrika erlebt - in Afrika, da hat man Zeit!
Auch das Alter hat auf der Welt nicht überall dieselbe Bedeutung.
Beim Stöbern in meiner Schatzkiste voller Augenblicke vergangener Zeiten fand ich meinen Führerschein, den ich 1984 in Kairo machte. Gleich daneben lag mein ägyptisch-internationaler Führerschein, der in drei Sprachen ausgestellt ist. Eine davon ist Deutsch. Hinter den Angaben zum Alter der Person ist zu lesen: "Alter; wenn bekannt, oder ungefähres Alter bei Ausstellung des Führerscheins"! Das Alter, also das genaue Alter des Führerscheinprüflings, ist in Ägypten nicht so wichtig. Dabei hatten doch gerade die Ägypter bereits 3000 v. Chr. anhand der Gestirne einen Kalender errechnet, der die Jahreszeiten einteilte - der zwölf Monate zu je dreißig Tagen umfasste. Und am Jahresende fügten sie dann einfach fünf hinzu!
In Rom hingegen,war es bis 47 vor Christus nicht unüblich, dass sakrale Beamte - aus politischen Gründen zum persönlichen Vorteil - ganze Monate in das laufende Jahr einschalteten, um so auch mal eine Amtsperioden zu verlängern. So kam es, dass in manchen Sommermonaten beinahe schon Winter herrschte. Bauern und Armeeführer konnten den Monaten nicht mehr vertrauen. Ein Jahr später, bescherte uns Julius Cäsar den Julianischen Kalender, auf dem fast unverändert 1582 der Gregorianische Kalender aufbaute, und nach dem wir heute den 20.12.2012 haben. Genau kann man es aber nicht sagen, denn schon in 2300 Jahren, also im Jahr 4312 - so hat man berechnet - wird auch dieser Kalender um einen Tag korrigiert werden müssen.
Doch wo bleibt all die Zeit?
All diese Augenblicke von drei Sekunden? Drei Sekunden! Mit den Jahrhunderten sind das tausende von Millionen! Millionen Augenblicke in Millionen Sekunden - welch Zeit-Illusionen!
Oder ist der Augenblick vielmehr ein ganz besonderer Moment?
Der Moment, in dem sich etwas ganz radikal ändert – oder bleibt, wie es ist?
Der Augenblick ist der Beginn von etwas ganz Neuem!
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Er ist eine frohe Botschaft, Er ist die schlechte Nachricht.
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Er ist ein Riesenerfolg, Er ist das große Fest
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Er ist der Moment, in dem unser Freund uns für immer verlässt.
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Er ist der Moment in dem uns die Zeit still zu stehen scheint.
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Er ist der Moment, wenn das neugeborene Kind erstmals schreit!
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Er ist der Arztbefund auf dem „negativ“ steht
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Er ist der Jubel, der von diesem Wort ausgeht!
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Er ist der Moment in dem gar nichts passiert - als würde nichts geschehen.
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Wie in dem Moment, in dem wir unseren Kindern beim Schlafen zusehen.
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Oder sehen, wie sie etwas ganz Neues entdecken!
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Oder uns voller Freude etwas Selbstgemaltes oder das Schulheft mit der Note 1 hinstrecken.
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Er ist der Moment der guten Gespräche im Hohen Reych am Elbgestade. Er ist der Moment der Verbundenheit mit Euch, die ich in mir trage.
Doch der Augenblick - er hat starke Konkurrenz bekommen! Die Gegenwart des Augenblicks steht im Wettbewerb. Im Wettbewerb mit alternativen Angeboten, die es ständig abzuwägen, anzunehmen oder zu verwerfen gilt. Zu unserem Tun im Hier und Jetzt, stehen uns allgegenwärtig - durch das mobile Internet - unendlich viele Alternativen mit potenziell höherem Sinn und Nutzen, Spaßfaktor oder Erholungswert zur Verfügung. Ungefragt drängen sie sich uns auf! Und rauben uns diesen Augenblick der Gegenwart.
Andererseits, versuchen wir jeden besonderen Augenblick digitalisiert fest zu halten.Und der eingefrorene Moment - die erstarrte Emotion - wird augenblicklich wiedergegeben in Bild und Ton. Doch haben wir den Augenblick dann auch tatsächlich erlebt? Oder hat ihn uns die Kamera geraubt und spuckt ihn konserviert wieder aus? Wie schwer fällt es uns oft in der Gegenwart zu leben? Und wie schnell vergeht die Zeit deren Augenblicke wir nicht wirklich erleben.
Verabreden wir uns doch mal mit der Gegenwart!
Sie ist hier! Und jetzt!
Und in diesem Augenblick!